Künstliche Intelligenz (KI) ist fester Teil der zukünftigen Gesundheitsversorgung. Wie die Untersuchung und Diagnose durch Algorithmen aussehen kann, testet RADIO-LOG, ein Betreiber medizinischer Versorgungszentren aus Passau. Geprüft werden KI-Lösungen in Radiologie und Strahlentherapie. Schon jetzt trägt die Software zu verlässlicheren Diagnosen bei und schafft Medizinerinnen und Medizinern mehr Raum für den Kontakt mit Patientinnen und Patienten.
Künstliche Intelligenz spielt bereits in vielen Teildisziplinen der Medizin eine große Rolle. So können tragen KI-Technologien in der Radiologie schon heute dazu beitragen, die Strahlendosis in der Computertomographie erheblich abzusenken und in der Magnetresonanztomographie die Untersuchungszeit zu halbieren. Bei RADIO-LOG beschäftigt sich ein Team von Ärztinnen und Ärzten bereits seit Jahren mit innovativen Technologien in der Radiologie. Sie ermittelten den Bedarf und trafen eine Vorauswahl der Lösungen, die für den Einsatz geprüft werden. Im Sommer 2023 hat RADIO-LOG in der Radiologie am Klinikum Vilshofen eine Software zur Erkennung von Frakturen umfangreich getestet. Die KI-Lösung von beispielsweise dem Anbieter AZ MED untersucht Röntgenbilder von Patientinnen und Patienten auf Knochenbrüche und liefert innerhalb von wenigen Minuten einen Befund. So erhalten Medizinerinnen und Mediziner schnell eine digitale zweite Meinung. Die Testphase über drei Monate hat gezeigt, dass die Erkennungsrate der Software sehr hoch ist und dem Facharztstandard entspricht. Besonders bei Zweitfrakturen unterstützt die KI-Lösung die Erstbefunderin oder den Erstbefunder wertvoll, da sie nicht dem menschlich bedingten „Satisfaction of Search“ unterliegt. Wo Medizinerinnen und Mediziner nach dem Befund einer ersten Fraktur häufig mit dem Suchen aufhören, sucht die Software so lange weiter, bis sie alle möglichen Frakturen erkannt hat. Auch die Spezifität der KI-Software ist hoch. Die Technologie erkennt sehr zuverlässig, wenn keine Frakturen vorliegen. Fraglich positive Frakturen werden von der KI markiert und können von den Medizinerinnen und Medizinern geprüft werden. Der virtuelle Zweitbefunder trägt damit zu einer noch sicheren Diagnostik bei, was insbesondere bei schwankender Auslastung in der Krankenhausradiologie ein Zugewinn ist. Der Nutzen von Zweitbefundung ist bereits durch das Mammographie-Screening-Programm belegt, hierbei prüfen immer zwei Ärztinnen oder Ärzte die Röntgenaufnahmen der Patientinnen.
Algorithmen lernen durch reale Anwendung
Vor Beginn der Testphase gab es einiges zu beachten: Die Software in der Radiologie musste an die Gegebenheiten bei RADIO-LOG angepasst werden. In der Regel wird KI in der Medizin nicht virtuell trainiert, sondern mit realen Ergebnissen. Aus diesem Grund wurden die Systeme intensiv am Standort getestet, in enger Abstimmung mit Kolleginnen und Kollegen aus Medizin und IT sowie mit den Herstellern der Software. Während der Testphase fand ein enger Austausch aller Beteiligten statt, um den Algorithmus weiter zu optimieren. Derzeit werten die an den Tests beteiligten Mitarbeitenden die Ergebnisse aus und erarbeiten eine Empfehlung zur Einführung für einen dauerhaften Einsatz. Parallel dazu befindet sich eine weitere Software für die Diagnostik in der Testphase, sie erkennt Blutungen und Durchblutungsstörungen auf CT-Aufnahmen des Schädels und kann damit besonders die Akutversorgung in Krankenhäusern unterstützen. In Zukunft wird KI in fast allen Teilprozessen der Radiologie eine große Rolle spielen. Dies beginnt mit der Extraktion prozessrelevanter Daten aus der Patientenakte, der Auswahl einer geeigneten Untersuchung, der Priorisierung in der Arbeitsliste und der Unterstützung bei der Befunderstellung.
Präzision und Zeitersparnis in der Strahlentherapie
Neben der Radiologie testet RADIO-LOG auch in der Strahlentherapie verschiedene KI-Lösungen. Für die Autokonturierung von CT- und MRT-Bildern testet RADIO-LOG die Anwendungen der Unternehmen Therapanacea und LimbusAI sowie AI-Rad Companion von Siemens Healthineers. Die Implementierung erster Softwarelösungen und deren Ergebnisse waren bereits sehr erfolgreich. Die Systeme können die Positionen von Risikoorganen millimetergenau bestimmen und abgrenzen. Die Autokonturierung durch KI führt zu einer präziseren Strahlentherapie und wirkt sich dadurch noch schonender auf das gesunde Gewebe aus. Zudem entlastet die Software die Therapeutinnen und Therapeuten, denn die präzise Abgrenzung der gesunden und der zu behandelnden Organe ist aufwendig. Das führt zu einer bedeutenden Zeitersparnis, ersetzt jedoch nicht die Medizinerin oder den Mediziner. Sie bietet ihnen mehr Zeit für ihre Kernaufgaben, den Kontakt mit Patientinnen und Patienten und ihre Begleitung in einem sehr technischen Umfeld.
Zusätzlich zur Autokonturierung testet RADIO-LOG derzeit ein KI-gestütztes Modul in der Bestrahlungsplanungssoftware, um Medizinphysikexperten zu entlasten. Es vergleicht die Qualität der Bestrahlungsplanung direkt mit einem Master-Model, zeigt also, welche Bestrahlungskonfiguration bei Patientinnen und Patienten mit ähnlichem Krankheitsbild erfolgreich waren. Auf dieser Basis gibt die Software Empfehlungen für weitere Optimierungsschritte. Wirft man einen Blick in die Zukunft, so sind mit der automatischen Konturierung von Organen und Zielvolumen in Kombination mit einer schnell und effektiv ablaufenden Bestrahlungsplanungssoftware strahlentherapeutische Behandlungen denkbar, welche auf die tagesaktuelle Anatomie eines Patienten eingehen können und adaptive Änderungen in Echtzeit vornehmen. Die Systeme sind auch schon auf dem Markt, können die hohe Kapazität in der Strahlentherapie und die Adaption in Echtzeit noch nicht abdecken. Die adaptiven Bestrahlungstechniken werden den Erfolg einer strahlentherapeutischen Behandlung, insbesondere in der Reduzierung der Nebenwirkungen, nochmals steigern.
Zentrale Projektverantwortung für eine systematische Einführung
Bei der Vielzahl von KI-basierter Software auf dem Markt hat das Projektteam zunächst eine Vorauswahl getroffen. Anschließend wurden die KI-Lösungen von Mitarbeitenden aus Medizin und IT im Detail betrachtet, bevor mögliche Anwendungen für die Standorte der Strahlentherapie in Passau, Altötting, Deggendorf, Günzburg, Hof und Neu-Ulm ausgewählt wurden. Dort hat jeder Mitarbeitende die Möglichkeit, die KI-Lösungen zu testen. Koordiniert wird die Testphase von einem Projektverantwortlichen, dieser ist bei der Vielzahl der Standorte von RADIO-LOG unverzichtbar. Er sammelt Feedback und fördert den Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen. Nach Abschluss der Testphase werden die verschiedenen Anwendungen validiert und eine Entscheidung getroffen. Der dauerhafte Einsatz einer KI-Software für die Autokonturierung ist bis Ende 2023 geplant.
Herausforderungen künstlicher Intelligenz
Die Ergebnisse der künstlichen Intelligenz, sei es bei Prozess- oder Befundentscheidungen, müssen immer kritisch betrachtet, ärztlich validiert und für die jeweiligen Rahmenbedingungen als geeignet eingestuft werden. Auch bei den technikaffinen Disziplinen wie Radiologie und Strahlentherapie steht der Patient im Mittelpunkt, der auf ärztliche Empathie angewiesen ist. Die Vielzahl von Entwicklern auf dem KI-Markt bringt zudem immer wieder neue Software-Angebote hervor, die bei der Auswahl kritisch geprüft werden sollten. Kernpunkt bei der Einführung einer KI-gestützten Software ist neben den Ergebnissen auch die Akzeptanz durch die ärztlichen und nicht-ärztlichen Mitarbeitenden. Wichtig bei der Auswahl des Systems ist deshalb auch die einfache Handhabung.
Die Inbetriebnahme der Systeme sowie die Softwarepflege sind sehr kostenintensiv. Hier bedarf es stärkerer Unterstützung zur Finanzierung aus der Politik, denn in Zukunft muss in der Gesundheitsbranche mit weniger Fachpersonal mehr Leistung erbracht werden. Um die Entwicklung von KI und weiteren innovativen Technologien in der Medizin voranzutreiben, braucht es entsprechende Förderprogramme, die Gesundheitseinrichtungen dabei unterstützen.
Digitalisierung bei RADIO-LOG
RADIO-LOG setzt bereits seit Jahrzehnten auf innovative Technologien, um die medizinische Versorgung von Menschen zu verbessern. Rückgrat ist dabei eine zentralisierte Hochleistungs-IT, die alle 15 Standorte des Unternehmens vernetzt. Alle Patientendaten sind über einen Mausklick verfügbar. So kann die Gesundheit der Menschen ganzheitlich über verschiedene Fachbereiche hinweg betrachtet werden. Darüber hinaus hat RADIO-LOG bereits im Jahr 2000 die telemedizinische Notfalldiagnostik eingerichtet. In den Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen werden heute so jährlich rund 4.000 Menschen teleradiologisch untersucht und bekommen so eine valide Diagnose rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr.